"Alle, die ihr Schwimmzeug nicht dabeihaben, setzen sich auf die Bank... Peter, das ist das dritte Mal. Du bekommst einen blauen Brief...", sagte der Lehrer, während er diejenigen notierte, die ihre Badesachen nicht mitgebracht hatten.
"Aber ich dachte, Schwimmen ist erst nächste Woche...", versuchte Peterchen, dem Lehrer den dritten Strich auszureden, doch dieser ging darauf nicht ein.
"Ich hab 'ne zweite Badehose mit, die kannste haben", flüsterte Ali Peterchen ins Ohr, doch dieser gab ihm einen Stups mit dem Ellenbogen in den Bauch und zog ihm eine Grimasse. Ali versetzte Peterchen einen leichten Stoß in die Rippen und warf ihm einen finsteren Blick zu.
"Du willst doch gar nicht schwimmen", zischte er ihn an.
"Denkst du, ich steig in ein verpisstes Becken rein?", grunzte Peterchen.
"Wer sagt denn, dass die da reinpissen?", fauchte Ali zurück.
"Ruhe, ihr zwei!", unterbrach der Lehrer ihr lautes Tuscheln. "Was ist so wichtig, dass es nicht für später Zeit hat?" Niemand antwortete. Peterchen und Ali duckten sich schuldbewusst.
"Peter, Ali? Könnt ihr das auch laut sagen, damit wir alle was davon haben?", sprach Herr Sturm die beiden an, dann wandte er sich Ali zu.
"Na, Ali? Was ist so wichtig? Sag es uns!"
"Ooch, nichts", druckste Ali und schielte rüber zu Peterchen.
"Dann seid auch still. Dir, Peter, schreib ich eine Verwarnung. Zuerst vergisst du deine Badesachen und dann störst du den Unterricht", sagte er und machte sich eine Notiz in seinem Ordner. Niemand wusste auf diese Worte etwas Rechtes zu sagen, und es entstand eine Stille, die Herr Sturm jedoch kurz entschlossen unterbrach, indem er sich an die Klasse wandte:
"Jetzt marsch! Alle ins Wasser!"
Die Schüler drängten sich an den Beckenrand und sprangen rein. Einige hechteten, einige plumpsten, und andere stiegen ängstlich über die Treppe ins Wasser. Doch dann wurden die Kinderstimmen laut. Sie quietschten vor Freude und alberten herum. Bis der Lehrer sie aus dem Wasser rief und die Pflichtstunde mit Bahnenschwimmen, Tauchen und Schmetterlingsübungen begann.
Peterchen sah sich den ganzen Tumult an und war froh, sich nicht abmühen zu müssen. Dann pfiff der Lehrer zum Umziehen, und kreischend rannten die Kinder unter die Dusche.
Seine Hosen hochziehend, tapste Peterchen in die Umkleidekabine und hörte Ali hinter sich herschreien: "Wartest du auf mich?"
Ali kam pitschnass hinterhergerannt und setzte sich neben Peterchen, der gerade dabei war, seine Socken anzuziehen. "Ach, ist das nicht erlabend, dieses kühle Nass!", sagte Ali und rubbelte mit dem Handtuch seinen Kopf.
"Was sagst du da?", rief ihm Michael zu, der auf einer Bank hinten seine Unterhose anzog.
"Du bist hier der Deutsche, sag du es mir", grinste Ali frech.
"Dann red du auch Deutsch", fuhr ihn Michael an und warf ihm sein nasses Handtuch zu, doch Ali fing es in der Luft auf.
"Das ist Deutsch, du intergalaktische homosexuelle Quitscheente!", schrie Ali und knallte ihm das nasse Handtuch auf den Rücken.
"Was sagst du da?!", brüllte Michael und packte das Handtuch, als Ali zum zweiten Schlag ausholte und ihn an sich heranzog. Sie blickten sich Auge in Auge.
"Das verstehst DU sowieso nicht", zischte Ali ihn an, drehte sich unvermittelt um und schrie:
"Heeeey! Peter! Wartest du nicht auf mich?!"
"Nicht, wenn du dich streitest, das muss ich mir nicht ansehen", brummte Peterchen und verließ die Umkleidekabine.
Ali ließ Michael los und lief an seinen Platz.
"Ja, du Feigling! Renn du nur weg, du kanackige Bockwurst!", brüllte Michael.
"Ja, laber du Palatschinkengesicht!", rief ihm Ali zu, während er in seine Adidashose schlüpfte. Er packte seinen Turnbeutel und rannte Peterchen hinterher.
"Hau ab, du Dosenfresser!", brüllte Michael dem sich entfernenden Ali nach.
Doch der hörte ihn nicht mehr und lief Peterchen hinterher:
"Heee! Warum wartest du denn nicht? Sonst wartest du doch auch auf mich!", schrie Ali und zog im Laufen sein T-Shirt an.
"Hab ich je NICHT auf dich gewartet!", versuchte er, Peterchen ein schlechtes Gewissen einzureden.
"Ich hab's eilig", erwiderte Peterchen schroff und ging weiter.
"Wieso denn?", erkundigte sich Ali, während er angerannt kam und sich an seine Seite stellte.
"Die Bücherei macht gleich zu und ich wollte noch was ausleihen."
Peterchen beschleunigte seine Schritte.
"Was denn?", wollte Ali wissen und versuchte, Schritt zu halten.
"Keine Ahnung. Ein Buch halt", meinte Peterchen patzig und trabte weiter.
"Ein Buch? --- Mann!", Ali zog den Turnbeutel hoch, der ihm von der Schulter gerutscht war.
"Ja, ein Buch. Jetzt tu nicht so verwundert. Was soll ich denn sonst in einer Bücherei ausleihen?", fuhr er ihn an.
"Da gibt’s ja auch was anderes als nur Bücher", beanstandete Ali.
"Aaach, echt?", sagte Peterchen spöttisch.
"Jaaah! Da gibt’s neuerdings auch so silberne Scheiben, die kannst du in so ein Gerät stecken, und dann kommt Musik raus! Und es gibt welche, die kannste sogar in deinen Computer stecken und dann Spiele spielen. Falls dir das entgangen ist!", belehrte ihn Ali mit wichtiger Miene.
"Muss ich glatt übersehen haben... und CDs und DVDs hab ich genug zu Hause. Und ich muss mir nicht jedes Mal ein neues Game ausleihen", erwiderte Peterchen schnippisch.
"Ja? Und Bücher hast du nicht?!", bemäkelte Ali und tippelte Peterchen hinterher, der dessen schnellen Gang nicht gewohnt war.
"Ja, ich hab aber nicht ALLES!", schnauzte ihn Peterchen an.
"Reicht dir nicht, was wir in der Schule lesen? Was liest du noch freiwillig?!", keifte Ali.
"Das ist nicht dasselbe", widersprach Peterchen.
"Lesen ist lesen."
"Ist es nicht!"
"Ist es doch!"
"Nein!"
"Doch!"
"Nein, ist es nicht!"
"Streber!"
"Piesepampel!"
"Bücherwurm!"
"Computerfreak!"
"Selber Freak!", schrie Ali und stürzte sich auf Peterchen. Der machte einen Satz und entkam dessen verärgerten Händen und rannte weg.
"Schartekenschlampe!!!"
rief Ali und lief ihm hinterher.
"Vollidiot!"
brüllte Peterchen zurück. Sie jagten sich im Slalom. Peterchen nur einen Griff
entfernt im Vorsprung.
"Blödes
Arschloch!" fauchte Ali hinter ihm herjagend, die Hand gestreckt.
"Bist
selber einer!" konterte Peterchen und fügte noch hinzu „Ein Arsch mit
Ohren noch dazu!“
"Jetzt reicht’s!"
schrie Ali, machte einen Satz und griff Peterchens Hemdspitze, packte
es fester, zerrte dran und brachte den Blondschopf zu stehen, griff sogleich nach dessen Kopf. Auch Peterchen packte den Kopf von
Ali. Sie klammerten einander. Sie rangen, jeder versuchte den
anderen auf den Boden zu werfen, aber es gelang keinem. Ali zog
Peter am Kopf kräftiger zu sich, umklammerte seinen
Hals mit seiner Armbeuge und drückte zu. Dem überrumpelten Jungen schien die Luft
auszubleiben, wehrlos bückte er sich unter Alis kräftigen Armen und
versuchte ihn wegzudrücken. Aber es gelang ihm nicht.
Er zappelte wie ein Hering in Alis Umklammerung und versuchte sich
aus davon loszureißen. Doch Ali drückte Peterchen noch mehr herunter. Peterchen bückte sich und
versuchte ihn in den Bauch zu boxen - vergeblich. Er steckte in seinem Schwitzkasten fest.
Doch dann schaffte er es, seine Hand in Alis Nierengegend zu schieben.
Seinem Widersacher
entfuhr ein lauter Schrei.
„Hey! - Hahahah!“
prustete Ali und löste seine Umklammerung. Er lachte.
„Du Idiot!“ rief er .
„Selber Idiot!“
konterte der Blondschopf, und piekste seinen Finger in Alis
Hüfte.
"Hihihihi! Lass
das!" schrie Ali, und schubste seinen Widersacher von sich.
"Und wenn nicht!"
"Dann kriegst du eine geschellert!"
Zu Alis Überraschung streckt Peter jäh die Hände aus und wedelt mit den Fingern in der Luft, als spiele er auf einem unsichtbaren Klavier.
„Kille kille!“
„Nein, nicht kitzeln!“, ruft Ali und zuckt nach hinten.
Peter macht einen Satz zu seinem Busenfreund und versucht, seinen Finger wieder in Alis Hüfte zu bohren, wo er besonders kitzlig ist; doch Ali schiebt seinen forschen Freund von sich. Peterchen gibt Ali einen leichten Schubs. Sie schubsen sich ein paar Mal gegenseitig und lachen.
„Du bist so doof!“
„Selber doof!“
Dann packt Ali den Kopf seines besten Freundes und wuschelt ihm die blonden Haare. Daraufhin gibt Peter ihm einen Stups mit dem Ellenbogen in den Bauch und zieht ihm eine bösgespielte Grimasse, wie er es immer tut, wenn sie sich nach einem Streit versöhnen. Als Gegenzug versetzt Ali ihm einen leichten Stoß in die Rippen und wirft ihm einen finsteren Blick zu.
Sie sind wieder Freunde.
„Idiot!“, ruft Peterchen mit einem breiten Grinsen.
„Selber!“, meint Ali und grinst zurück.
Sie schubsen sich einige Male gegenseitig und lachen.
Dann kämmte sich
Peterchen seine zerwuschelten Haare wieder mit dem Finger zurecht.
Ali stopfte sich das Hemd
in die Hose, zupfte noch etwas an seinen Haaren.
Noch ein letzter Blick auf das Spiegelbild in den Panoramafenstern – alles saß.
Dann schoben sie die schwere Glastür auf und traten ein.