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Mittwoch, 9. September 2009

Kapitel 3 : Die Lüge

Als Peterchen die Haustür aufschloss, rief die Mutter von der Küche:
"Na, Peterchen, wie war's beim Schwimmen?"
"Gut", log Peterchen und zog seine Schuhe aus. Während er seine Jacke aufhängte, rief die Mutter:
"Komm, gib mir deine Badesachen, ich häng sie auf. Nicht dass sie anfangen zu müffeln."
"Ich mach das schon!" schrie Peterchen und lief ins Bad. Er holte aus der Tasche die Badehose, warf sie in den Spülbecken, öffnete den Wasserhahn und stellte das Wasser wieder ab. Dann nahm er den Badetuch und warf die klitschnasse Hose rein und trocknete sie ab. Danach hängte er die feuchten Sachen an der Wäscheleine über der Badewanne auf.
Als er aus dem Bad kam, sagte die Mutter: "Das ist aber lieb, danke. Und? wie war das Schwimmen? Wo warst du so lang?"
"Ach, ich war mit Ali in der Bücherei", entgegnete Peterchen.
"Und, hast du was Schönes gefunden?"
Peterchen wollte erzählen, was er mitgebracht hatte, doch die Mutter redete weiter. "Wasch dir die Hände, es gibt bald Abendessen."

Sie setzten sich zu Tisch und assen stillschweigend. Nur die Gabel und das Messer klirrten und klimperten auf dem Teller. Da sagte die Mutter: "Peter, warum stocherst du im Essen? Schmeckt's dir nicht?"
"Doch", erwiderte Peterchen.
"Und, warum isst du nicht?"
"Wann kommt denn Papa nach Hause?"
"Ich weiss es nicht", sagte die Mutter und nahm einen Bissen.
"Und wann ist der Krieg zu Ende?"
"Ich weiss es nicht Liebes", meinte die Mutter und schaute auf ihr Teller. "Es ist dann zu ende, wenn es zu ende ist."
"Und wie lange dauert das noch?"
"Ich weiss es nicht. Es ist immer Krieg, mein Liebes. Irgendwo ist immer Krieg."
"Und warum muss denn Papa da hin?"
"Das weisst du doch Liebes."
"Ja, der Vater von Robert arbeitet auch beim Militär und er ist hier geblieben. Seit einem Jahr hab ich Papi nicht gesehen“, schmollte Peterchen und steckte seine Nase tief in sein Teller rein.
"Aber, der Papa von Robert, arbeitet im Büro--"
"-- und Papi!? Kann er das nicht auch?!"
"Hans-Peter, stell dich nicht dümmer als du bist!“ schimpfte die Mutter. „Du bist schon ein grosser Junge. Du weisst genau wieso das nicht geht!" Kalt fügte sie hinzu: "...und sei jetzt still und iss dein Teller leer!"

Doch Peterchen verspürte keine grosse Lust zu Essen. Er musste an seinen Vater denken. Warum muss auch Papi ein Soldat sein? Sicherlich schiesste einer aus dem Hinterhalt und er verblutet. Keiner kann ihn retten, weil sie auf alle ballern...
Während Peterchen in Gedanken versunken auf sein Teller starrte, hörte er seine Mutter sagen:

"Peterchen." Sie legte ihre Hand auf seinen Kopf. 
"Komm, iss dein Teller leer. Ich will doch, dass du gross und stark wirst. Und Papi wird dann ganz stolz, wenn er sieht, wie gewachsen du bist. Und er wird sagen: 'Was für ein grosser Junge du geworden bist!" wird dich hochheben und dir einen dicken Schmatzer auf die Backe geben. >Muuuaaah<" und sie schmatzte Peterchen auf die Backe. 
Dann sagte sie aufmunternd: "Wenn du brav aufisst, dann erzählt Mutti dir auch dein Lieblingsmärchen." 
"Das Papi immer erzählt hat?!" jauchzte Peterchen. 
"Ja, das Papi immer erzählt hat. Welches war es noch gleich?" fragte die Mutter. 
"De gestieefelte Kaata!" sagte Peterchen in einer Babystimme, und nahm einen kleinen Happen auf die Gabel und führte es zum Mund. Er kaute angestrengt und dachte: "Vielleicht kommt Papi doch ganz bald nach Haus. Dann wird er einen grossen Peter vorfinden."

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