
"Ich bin der fingerlose Ahmet, der Sohn des Padischahs Osman Han, dem Herrscher über das Land, auf dem wir uns gerade befinden. Er hat mich hierher in den Brunnen werfen lassen. Aber es ist eine lange, lange Geschichte bis dahin, habt ihr Zeit mitgebracht?" fragte der Jüngling, die Männer, die ihn aus dem Brunnen gezogen hatten.
"Ja, wir haben", sagte der Scheich. "Es ist eine willkommene Rastzeit." Er rief zu seinen Untertanen. "Schlagt das Zelt hier auf, entlädt die Kamele, wässert sie. Kocht was zu essen und bringt uns CAY, schön heiss und gut gezogen soll es sein. Und alle sollen sich hier versammeln, damit wir die Geschichte in Ruhe geniessen."
"Es ist keine schöne Geschichte, die ihr geniessen könnt, oh Scheich. Ihr süsser Cay, wird bitter schmecken", sagte der fingerlose Ahmet.
"Oh mein Sohn, das werde ich. Ich liebe lange kummervolle Lebensgeschichten", sagte der Scheich und Peterchen machte sich auf einem seidenen Kissen zurecht und spitzte die Ohren, weil er ganz neugierig war, was dieser junge Mann zu erzählen hatte. Er begann:
"Also, es war vor langer Zeit, ich weiss nicht mehr wieviel Monde seither vergangen, da war mein Vater, der Padischah, aus irgendeinem Grund gekränkt und befahl dem Tellal, mir den Kopf abzuhacken. Unser Wesir griff ein: "Aber Hoheit, sie können ihren einzigen Sohn doch nicht einfach so köpfen lassen. Sie haben sonst keinen anderen, überlegen sie es sich noch mal. Es muss doch eine andere Lösung geben." So konnte er meinen Vater umstimmen. Jetzt befahl er, dass ich sein Land verlasse und so weit weg wie möglich wegziehe, dass er mich nie wieder sieht. Und meine Mutter, die Treue, heftete sich an meine Fersen, da sie mich nicht allein ziehen lassen konnte.
So machten wir uns auf den beschwerlichen Weg einer weiten Reise und gingen tagein tagaus, über Hügel, über Täler, immer weiter, gerade aus, ohne Halt und kamen an einen Fluss. Dort erfrischten wir uns. Als Mutter, die Rinderhäute mit Wasser füllte, ging ich etwas umher und fand einen Stein. Ich konnte es nicht anschauen, ohne mir die Augen dabei zu reiben, so sehr strahlte er. Ich steckte ihn in die Tasche und wir machten uns auf den Weg. Als wir 'ne zeitlang gingen, kamen wir eines Tages in eine Stadt. Auch hier regierte ein Padischah. Doch wir blieben und nahmen uns ein Haus. In dieser Stadt war es verboten eine Kerze anzuzünden. Der Padischah hatte es so befohlen. Nachts sassen die Menschen im Dunkeln. So nahm ich den Stein und stellte ihn mitten im Zimmer ab, und er funkelte so hell, dass nicht nur unser Zimmer erstrahlte, nein die ganze Stadt wurde zum Tage.
Da sagte meine Mutter: "Sohn, verstecke das. Wenn einer das sieht, werden sie uns fragen was das ist, und dich festnehmen. Er wird ein grosses Unheil über uns bringen.." Doch ich hörte ihr nicht zu und sagte: "Ach, was kann schon geschehen? Ich habe ja keine Kerze angezündet", und liess den Stein dort wo er war.
Doch kurz darauf klopfte es an unserer Türe und davor stand die Leibgarde des Padischahs und orderte mich in den Saray. So ging ich mit ihnen.
Kaum führten sie mich dem Herrscher vor, sagte dieser: "Kennst du keine Verbote?" und ich antwortete: "Efendi, ich habe doch nichts Verbotenes getan!"
Er entgegnete: "Wie? du hast nichts Verbotenes gemacht!? Jeder sitzt im Dunkeln. Du jedoch hast eine Helligkeit erschaffen, das die ganze Stadt einnimmt", und ich erwiderte:
"Efendi Sultan, ich habe keine Kerze angezündet, aber ich habe ein Ding. Es ist dessen Helligkeit."
Als der Padischah: "Was ist das? Bring's her!" sagte, eilte ich nach Hause und kam mit dem Stein zurückgerannt. Kaum hatte der Sultan den Stein gesehen, nahm er ihn mir weg und sagte: "So dann, geh weg."
"Da bin ich ja noch glimpflich davon gekommen", sage ich zu mir und ging nach Hause.
Doch da erwarteten mich die Wachen vom Padischah und brachten mich zurück.
Als ich ankam sagte dieser: "Mein Sohn, du bringt mir jetzt einen sackvoll Diamanten..."
"Aber mein Sultan, woher soll ich das denn finden?" sagte ich.
Er: "Wo auch immer du es findest, finde es. Vierzig Tage hast du Zeit. Bringst du es nicht, lass ich dir den Kopf abschlagen."
Grübelnd ging ich nach Hause. Als ich die Lage der Mutter berichtete, antwortete sie: "Siehst du? Was habe ich dir gesagt? Dieser Stein wir uns Probleme bereiten. Er bringt uns nur Scherereien. Na, was machst du jetzt? Woher finden wir nur soviel Diamanten." Ich fing an zu weinen.
Nachdem einige Tage so vergehen, sagt die Mutter zu mir: "Mein Sohn, weinen nutzt nichts. Wir müssen was unternehmen. Du musst handeln."
"Muttchen, was soll ich tun? Woher finde ich die Sachen jetzt?" sage ich und weine weiter.
Doch als die Mutter: " Auf, mein Sohn! Du gehst jetzt schnurstracks zu der Stelle, wo du den Stein gefunden hast. Vielleicht findest du dort noch etwas." sagt, steig ich auf mein Pferd und reite zu der besagten Stelle. Ich suche hier, ich suche da und entdecke dabei ein Berg in der Ferne.
"Was da wohl ist?" frage ich mich und reite hin.
Ich reite zum Berg, und überquere ihn, da tauch ein Saray auf. Ich gehe hinein.
Und siehe da, da liegt ein siebenköpfiger Drache auf dem Boden. "Schau an. Ich suche nach Diamanten, und was finde ich vor? Ein Ejderha!" So greife ich zu meinem Schwert und schwinge ihn dem Drachen entgegen. Sechs Köpfe fallen ihm ab.
Der Drache: "Wenn du ein Mann bist, schlag noch einmal zu."
Ich sage nur: "Meine Mutter hat mich nur einmal geboren", und steig auf mein Ross und reite weg.
Da platzt im Saray ein lautes Getose.
"Du hast mein Feind umgebracht. Wo reitest du jetzt hin?" nehme ich eine Stimme wahr, dreh mich um und sehe eine wunderschöne Jungfrau auf mich zukommen. Sie ist schöner als das Vollmondlicht. Als sie bei mir ankommt sagt sie:
"Tapferer Jüngling, ich war zehn Jahre lang die gefangene dieses Drachens. Bitte, nimm mich mit. Wo du auch hingehst, nimm mich mit."
Wie sehr ich: "Herzchen, ich habe genug Probleme, dich will ich mir nicht auch aufhalsen" sagte, flehte sie weiter: "Oh, du Held! Lass mich hier nicht zurück."
Da konnte ich ihrem Flehen nicht mehr wiederstehen, nahm sie auf mein Pferd und ritt mit ihr zu unserem Haus.
Da war ich wieder zu Hause und hatte das Problem immer noch nicht gelöst. Woher sollte ich nun ein sackvoll Diamanten finden? Ich fing an zu weinen.
"Mein Held, was bedrückt dich? Wieso weinst du so sehr?" fragte mich die Schöne und ich erwiderte: "Frag nicht. Mir kann nur Allah helfen."
Doch sie liess nicht locker und so erzählte ich ihr die missliche Lage. Da sagte sie: "Oh, Mann! Das ist doch nichts. Und ich dachte du hast ein Problem."
"Oh, ja? Und was ist die Lösung?" fragte ich sie.
"Mein Herz, natürlich finden wir eine Lösung. Doch jetzt habe ich durst. Geh zum Brunnen und bring mir ein Krug Wasser. Ich will ganz frisches und kühles Wasser trinken", erwiderte sie darauf.
Auf dem Weg zum Brunnen grübelte ich: "Ich habe dieses Mädchen hergebracht. Als hätte ich selber nicht genug Probleme, da kommt sie mit Sonderwünschen. Aber was soll ich tun. Ich hab sie jetzt im Haus. Sie ist Gast und zu Gästen ist man gastfreundlich. Jetzt will sie Wasser. Und wenn ich es ihr nicht bringe ist sie gekränkt." So füllte ich den Krug mit dem kühlen Nass und brachte es zu ihr. Als ich vor ihr stand, entledigte sie sich von ihrem Gewandt und sagte zu mir: "Nun, schütte das Wasser, das du gebracht hast, über mein Kopf, aus."
So nahm ich den Krug, hob ihn über ihren Kopf und schüttete es aus. All die Stellen, wo das Wasser sich ergoss, füllten sich mit Diamanten. Als ich das sah war ich genauso verwundert wie erfreut.
Als sie: "Loss, füll sie in ein Sack und bring es dem Sultan." sagte, hörte mein Weinen auf und ich tat was sie sagte.
Als der Padischah sah, das ich die Diamanten bringe, sagte er erfreut: "Mein Sohn, du kannst gehen."
Doch als ich mich unserem Haus näherte, sah ich dort wieder die Wachen des Padischahs und sie nahmen mich wieder zurück zum Saray.
Der Herrscher sagte zu mir: "Mein Sohn, jetzt bringst du mir ein Sack voller Perlen."
Auch wenn ich sagte: "Ohweh, mein Sultan, woher find ich denn das alles?" bestand der Padischah darauf und erwiderte nur: "Du hast vierzig Tage Zeit. Falls du es nicht bringen solltest, werde ich dich köpfen lassen."
Als mich das Mädchen so traurig ankommen sah, fragte sie: "Oh mein Held, was ist passiert?" Und ich erzählte es ihr.
Da sagte sie: "Nun, zieh los mein Held! Wenn du an dem Saray, wo du mich gefunden hast weiterreitest, findest du ein weiteres. Das was du suchst ist da drin."
So schwang ich mich auf mein Pferd und ritt los. Es vergingen Tage, bis ich bei dem Schloss ankam, das sie mir geschildert hatte. Auch dort war ein Ejderha, auch ihm hackte ich die sechs Köpfe mit einem Schlag ab. Da rief plötzlich jemand hinter mir: "Du hast mein Feind getötet. So lass mich nicht hier, nimm mich mit." Als ich mich umdrehte, sah ich eine Frau schöner als der Sternenhimmel auf mich zukommen.
Nun, ich mach es kurz. Ich brachte sie nach Hause und schüttete ihr Wasser über dem Kopf. Der Boden füllte sich mit Perlen und ich brachte den Sack zum Padischah. Ich durfte gehen, und wieder fing mich die Wache vor der Türe ab und brachte mich zurück. Diesmal wollte er ein sackvoll Smaragde. Ich hab gefleht und gewinselt. Nein, er wollte ein sackvoll Smaragde und gab mir wieder vierzig Tage Zeit, um sie zu beschaffen. Wieder fing ich an zu heulen.
Nun ihr könnt euch denken, was geschah."
Der Scheich nickte: "Als die Mädchen dein Kummer sahen, fragten sie dich danach und du hast es ihnen erzählt."
Peterchen, der eifrig aufgepasst hatte rief aufgeregt von seinem Seidenkissen: "Ja, und dann sagte die Älteste der Mädchen: "Zieh los und reite. Reite weiter als das Saray meiner Schwester, die du gerettet hast und da wirst du ein drittes treffen. Was du suchst wirst du dort finden."
"Ja, das stimmt fast", sagte der fingerlose Ahmet. "Nur, war sie nicht die Schwester. Aber sonst stimmt alles."
"Und du bist auch dahin gereitet. Hast den Drachen geköpft und sie mit nach Hause gebracht?" fragte Peterchen neugierig, der es vor Spannung kaum erwarten konnte, wie es weiterging.
"Ja, liebes Kätzchen, so ist es passiert", sagte Ahmet.
Da wollte Peterchen dagegenreden, dass er kein Kätzchen, sondern ein Junge ist, aber die Geschichte interessierte ihn so sehr, dass er sagte: "Und, hat der Padischah dich in Ruhe gelassen, als du ihm den Sack voller Smaragde gebracht hast?"
"Nur die Ruhe." sagte der Scheich. "Wir haben keine Eile. Erzähle du deine Geschichte mit Gemach. Ich geniesse die Bedächtigkeit..."
Peterchen war sehr ungeduldig und kratzte mit seinen Krallen das Kissen. Ja es stimmte. Ahmet sollte sich Zeit lassen. Denn er erzählte so schön. Wenn er ihm zuhörte vergass er, dass er eine Katze war. Er konnte auch später darüber grübeln, wo er eigentlich hingeraten war. Die Mutter würde aber staunen, wenn sie heute nacht in sein Zimmer kam und ihn nicht vorfinden würde, ob sie sich Sorgen machen würde? Sie würden Ali rufen, und wenn sie mich auch nicht dort finden, würden sie die Polizei rufen, dachte Peterchen. Ja, meine Mami und mein Papi lieben mich, nicht so wie der Vater von dem armen Ahmet hier. Oh, je, jetzt hab ich verpasst was er erzählt hat, sagte Peterchen in Gedanken und dann laut: "Oh, entschuldigt fingerloser Ahmet. Könntest du es bitte noch mal wiederhohlen. Ich war grad in Gedanken."
"Oh, du armes Kätzchen, bedrückt dich etwas?" fragte der fingerlose Ahmet, der selber zu bedauern war. Denn als Peterchen ihn im Feuerschein genauer betrachtete, wirkte er noch elender. Die eingesackten Augenhöhlen wirkten im ausgemergelten Kopf noch grausiger, und wanderten im dunklen Licht auf seinem Gesicht. Und der Armselige bedauerte ihn, der nur ein Kater war. Beschämt erwiderte Peterchen: "Ach nichts, ich hab kein Problem. Hab nur kurz über dich nachgedacht. Wie schlimm es dir ergangen ist."
"Ach, das ist ja noch gar nichts", erwiderte der fingerlose Ahmet. "Hört nur weiter. Ich erzähle euch, was danach geschen ist."
Der Kreis um ihn rückte näher, und sie alle hefteten sich an seine Lippen.
Er begann:
"Ja, der Wunsch des Padischahs ein sackvoll Diamaten, Perlen und Smaragde zu haben, war nichts im Vergleich zu seinem Wunsch, dass ich auf dem See ein prächtiges Schloss für ihn baue."
Ein Raunen ging durch die Runde. Und Tuschlen: "Unmöglich. Wer kann sowas schon schaffen." Doch Ahmet redete unbeeindruckt weiter:
"Ihr könnt verstehen, dass ich am Boden zerstört war. Ich wollte nicht mehr leben. Da konnte wohl auch meine Schönen mir nicht helfen."
Der Scheich nickte, Peterchen sass mit offenem Mund da und sagte nichts.
"Meine Liebsten begrüssten mich herzlich und fragten mich: "Oh, unser Schehzade, was ist passiert?" und ich erzählte ihnen alles.
Die älteste unter ihnen, trat zu mir und sagte: "Komm, mach dich auf zu jener Gegend, dort ist ein Berg. Steig bis zum Gipfel und schrei so laut du nur kannst einmal: "Heiliger Vater." Falls du eine Stimme hörst, sag: "Deine älteste Tochter wünscht sich ihr kleinstes Schloss."
Falls jedoch kein Ruf erschallt, so wage ja nicht ein weiteres mal zu rufen. Denn sonst kommt du nicht mehr lebendig zurück." Daraufhin warf ich mich auf mein Pferd und gelang zu dem Ort, von dem sie geredet hatte.
Als ich auf dem Gipfel ankam, schrie ich so laut: "Heiliger Vater!", dass die Erde bebte. Darauf hin kam eine Stimme: "Was willst du?"
Kaum sagte ich: "Deine älteste Tochter wünscht ihr kleinstes Schloss." da hörte ich: "Bevor sie es wollte, hab ich es schon geschickt."
"Da hat er sich aber umsonst auf den Weg gemacht."
"Psschhht!"
"Und ich kam wieder zu Hause an.
Da stand es, das Schloss, prächtig und glänzend auf dem See und der Padischah ging mit seinem Wesir darin spazieren. Die Älteste näherte sich mir und flüsterte: "Geh wieder dahin zurück und rufe diesmal: 'Deine Tochter sagt, du sollst den Schloss wieder zurück nehmen' und komm gleich wieder Heim."
Das liess ich mir nicht zweimal sagen und ritt geschwind dahin und rief. Als auf mein 'Heiliger Vater' eine Antwort kam, schrie ich meine Bitte: 'Deine Tochter sagt, du sollst den Schloss wieder zurück nehmen'. Die Stimme antwortete: "Bevor sie es sagte, habe ich es schon genommen."
Als ich Zuhause ankam, war das Schloss auf dem See verschwunden und die Männer in ihm ertrunken. Da sagte die Älteste zu mir: "Komm mein Schechzade, ab nun hält uns hier in dieser Stadt nichts auf." So nahm ich die drei Frauen und meine Mutter und ging mit ihnen zurück in die Stadt meines Vaters.
Auf dem Weg trafen wir einen lahmen Riesen. Als ich auf ihn losging, um ihn zu töten, rief er: "Mein Schechzade, töte mich nicht, eines Tages kann ich dir von grossem Nutzen sein."
Da sagten die Mädchen: "Er soll auch mit uns kommen", und so kamen wir alle in unserer Stadt an.
Vor den Toren der Stadt beschlossen wir uns niederzulassen. Einer der Mädchen errichtete dort ein Schloss, dessen Schönheit von keinem Saray im ganzen Land zu übertreffen war.
Doch kaum zogen wir ein, da kam schon die Leibgarde meines Vaters, um zu fragen, wer das Schloss erbaut hat. Als ich zu ihnen sagte "Ich bin parmaksiz Ahmet, der Sohn des Padischahs", zogen sie wieder los.
Mein Vater kam uns besuchen und wir bewirteten ihn. Setzten ihm das Allerbeste, zu essen und zu trinken, vor. Er sah auch die drei Mädchen, und ich konnte in seinen Augen ein Flunkern erblicken.
Kaum verliess er uns, liess er einen Boten schicken und lud mich zu sich ein. Als ich zu ihm ging, kam zu mir die Mittlere und sagte folgendes:
"Schehzade, nimm diesen Ring hier; und wenn du im Saray bist, dann geh' unauffällig mit deiner Hand einmal über das Gericht, und iss es erst dann."
Auf ihren Rat hin, steckte ich mir den Ring an und ging zum Saray meines Vaters.
Nun ja, wir sassen und sprachen miteinander, das Essen kam. Ich liess meine Hand über das Essen wandern, ohne das mein Vater was davon mitbekam, und ass es erst dann. Falls sie giftig gewesen sein sollten, und ich nehme es stark an, so würde der Ring das Essen entgiften.
Wir verliessen das Tisch, um ein Spiel zu spielen. Mein Vater sagte zu mir: "Mein Sohn, bei diesem Spiel bindet der Gewinner, den Verlierer fest." Ich ging darauf ein, weil ich dahinter nichts böswilliges vermutete.
Wir spielten. Ich gewann. Da ich meinen Vater schlecht festbinden konnte, spielten wir ein zweites Spiel und er verlor wieder.
Als mein Vater sagte: "Sohn, komm bind mich fest", erwiderte ich: "Oh, Vater, das steht mir nicht zu." und bot ihm ein drittes Spiel an, das ich absichtlich verlieren wollte, um ihm gefällig zu sein.
Ich wollte sehen, ob er mich festbindet. Vielleicht bildete ich es mir ja nur ein dass er mich umbringen will und das Essen war gar nicht vergiftet.
Doch als ich verlor sagte mein Vater: "Ich bin ein Mann und ein Mann steht zu seinem Wort. Die Abmachung war so. Jetzt binde ich dich fest."
Ich liess es zu. Er band mich mit seinen eigenen Händen mit dicken Seilen und liess den Henker rufen.
Ich riss die Seile mit einem Ruck. Mein Vater erwiderte daraufhin: "Mein Sohn, ich habe nur gescherzt. Du warst so lange in der Fremde und ich wollte sehen, ob mein Sohnemann etwas Heldenhaftes zustande bringt. Du hast die Probe bestanden. Du hast dich gut entwickelt in der Zeit."
So sagte ich: "Falls das so ist lieber Vater, so legt mich doch in Ketten." Und mein Vater liess Ketten bringen und mich festbinden. Auch diese sprengte ich mit einem Ruck. Mein Vater lachte erfreut, aber seine Augen glommen boshaft und er fragte mich ganz freundlich: "Mein Sohn, ich sehe, aus dir ist ein Held geworden. Gibt es auf der Welt, dass du nicht zerreissen oder sprengen kannst? Ich bin dein Vater, vertrau mir dein Geheimnis an."
Ja, er war mein Vater, und mir fiel auch kein Grund ein, wieso ich es ihm nicht hätte verraten sollen: "Lieber Vater," sagte ich, "wenn du mir drei Haare von meinem Kopf auszupfst und du mir damit die beiden Daumen zusammenbindest, so kann ich mich hernach nicht mehr rühren."
Mein Vater schien sehr neugierig und fragte: "Komm mein Sohn, lass mich dich mit den Haaren festbinden. Ich will mal sehen, was dann passiert."
Ich war einverstanden. Rupfte mir drei Haare aus dem Kopf und gab es ihm und er band damit mir die Daumen. Als mein Vater sah, dass ich mich wirklich nicht rühren konnte befahl er mich zu köpfen. Doch der Henker weigerte sich und lief davon.
Nun stand mein Vater da und wusste nicht mehr weiter. In seiner Verzweiflung steckte er seine Finger in meine Augenhöhle und popelte meine Augäpfel raus und steckte sie in meine Tasche. Ich hörte ihn rufen: "Loss, wirft ihn in einen Brunnen."
Sie trugen mich weg, wir ritten ziemlich lange, dann schmissen sie mich runter. Ich fiel und fiel und fiel; es dauerte ziemlich lange, bis ich unten ankam. Ich wunderte mich, ob sie mich in einen Brunnen oder in ein tiefes, tiefes Loch geworfen hatten. Denn ich war nicht ins Wasser gefallen. Doch als lange Zeit niemand kam und es auch nie so hell wurde, dacht ich mir dass ich in einem ausgetrockneten Brunnen gelandet war, und erwartete den Tot.
Den Rest der Geschichte kennt ihr ja. Allah war gnädig. Ihr seid gekommen und habt mich gerettet."
"Wenn ich ehrlich sein soll", sagte der Scheich. "Dein Dank muss hier dem Kätzchen gelten. Wäre er nicht auf mein Kamel gesprungen, so wären wir weitergezogen. Danke ihm." und er zeigte auf Peterchen, der mit grossen Augen auf seinem Seidenkissen lag und immer noch von der Geschichte ergriffen sich nicht rühren konnte. Der eigene Vater. Diese schrecklichen Augen, der ganze Schmerz, alles hatte er seinem Vater zu verdanken?
"Wo bist du Kätzchen?" fragte Ahmet und streckte die Hand aus.
"Hier", konnte Peterchen nur leise sagen. Er war immer noch sehr mitgenommen.
"Komm her und lass dich streicheln."
Zögernd tapste Peterchen zu ihm und setzte sich auf seinen Schoss.
"Warum hast du das mit dir machen lassen?" fragte Peterchen Ahmet.
Er schien seine Frage nicht zu hören und sagte: "Allah segne dich liebes Kätzchen. Alles was du anfasst soll zu Gold werden." Doch Peterchen wiederholte seine Frage: "Warum hast du dich von deinem Vater festbinden lassen?" Er streichelte ihn sanft über den Kopf und antwortete: "Ich wollte sehen, ob er es übers Herz bringt mich zu töten. Er ist mein Vater. Ich habe gehofft, dass noch ein Fünckchen Liebe in seinem Herzen für mich glimmt."
Das berührte Peterchen noch mehr, und er spürte ein Stich in seinem Herzen.
"Allah segne dich liebes Kätzchen. Alles was du anfasst soll zu Gold werden."
wiederholte er, als sei alles wieder gut geworden und die Qualen mit dem Erzählen gelindert.
"Und ihr, wohin führt euch der Weg?" fragte Ahmet den Scheich.
"Ach frag nicht", erwiderte dieser. "Ich bringe diese Karawane ins Land der Riesenmutter, die diese Kamele aufessen möchte..."
Peterchen fielen die Augen zu. Die Stimme wurde leiser und leiser.
"Das war ein langer Tag", nuschelte Peterchen in seinen Kissen und kringelte sich ganz in sich zusammen. Plötzlich war es so warm in seinem Kopf, und es flackerte vor seinen geschlossenen Augen so rötlich schwarz.
"Ich kann es immer noch nicht fassen", redete Peterchen halb im Schlaf zu sich. " Ich habe einen Riesen getroffen, der nur so lang wie ein Basketballspieler war, und eine eitle Mistkäferfrau, die sich einen Mann suchte. Sicher wird die niemand heiraten. So wie die sich anstellt. Nur eine Ratte heiratet die." Peterchen, schmunzelte im Schlaf.
"Dann der traurige Vorfall mit dem Mann, der ein Frau war, und sich in eine Nachtigall verwandelt hatte. Und jetzt die Geschichte vom fingerlosen Ahmet. Das war sehr spannend. -- Aber auch sehr traurig. Zu gerne hätte ich gewusst, was aus ihm wird. Ob sein Vater ihn aufnimmt, wenn er ihn so mitgenommen sieht. Sicherlich wird er sich dann schämen, dafür, was er Ahmet angetan hat."
Während diesen Gedanken schlief Peterchen ein, und verpasste, wie der Scheich von seiner Frau erzählte, die von der Riesenmutter gefangen gehalten wurde, und er auf dem Weg zu ihr war, um sie zu retten. Er hörte auch nicht, wie sie sich "Gute Nacht und habt selige Träume!" wünschten und in ihre Zelte gingen.
Peterchen lag da, zusammengekauert. Dicht neben ihm, das flackernde Lagerfeuer, und er in Träumen auf dem weichen Seidenkissen. Die Männer, die Nachtwache hielten, warfen noch Holz ins Feuer und erzählten sich Geschichten, um sich wachzuhalten.
Peterchen schnurrte im Schlaf. Das Feuer war wohlig warm, die zwei Männer nahm er nicht war.
Er hörte sie nur reden und sie sprachen in Peterchens Traum. Und Peterchen sah den Scheich, zu dem fingerlosen Ahmet sagen:
"Wir können dich nicht mitnehmen. Wer dich so bei uns sieht, wird denken, dass wir dich so zugerichtet haben. Du musst hierbleiben und sehen, wie du selber zurechtkommst."
Die Mine von Peterchen verfinsterte sich im Schlaf: "Wie gemein. Und ich dachte du bist ein gütiger Scheich", murmelte er in sein Kissen und sah den Scheich mit der Karawane wegreiten. Der Scheich rief noch zurück:
"Bete zu Allah, er wird dir weiterhelfen!"
Peterchen hörte, wie der fingerlose Ahmet ihnen nachbetete und rief : "Danke, dass Ihr mich gerettet habt! Allah segne Eure Hände, für die Hilfe, wie wenig sie auch sein mag!"
Er setzte sich hin, und weinte. Er weinte um seine Augen, weil er sich ohne sie keinen Schritt voranbewegen konnte. Da kam ein Eremit des Weges entlang. Er sagte ein Gebet auf, nahm die Augen von den Taschen des Jungen und steckte sie in die Augenhöhlen. Seine Augen heilten und Ahmet konnte sehen. "Allah sei dank, ich habe mein Augenlicht wieder", sagte er und sah sich nach dem Eremiten um, doch der war verschwunden. Ahmet machte sich auf den Weg und ging tagelang bis er in einer Stadt ankam und er sah, dass es die Stadt von seinem Vater war.
"Nein, kehr um!" Peterchen wandt sich auf seinem Kissen, sie war plötzlich so hart geworden. "Er wird dich töten."
Doch zu Peterchens Überraschung freute sich der Padischah sehr, seinen Sohn zu treffen. Es schien ihn etwas zu bedrücken und als Ahmet ihn nach seinem Leid fragte, erzählte ihm dieser von seinem Kummer.
"Sohn, " sagte er, "als, du weg warst, hat es mir sehr Leid getan und ich wollte mich um deine Frauen kümmern.."
"Du lügst!" knurrte Peterchen. "Du wolltest die Frauen doch nur für dein Vergnügen haben, du alter Gockel! Nein Mädchen hört nicht auf den Sultan, nein geht nicht in sein Schloss!" phantasierte er im Schlaf! und hörte, wie die Mädchen dem Boten des Padischahs antworteten:
"Wir kommen nicht einfach so. Schick uns vierzig Kutschen und in jeder soll ein Mädchen sein. Zusätzlich wollen wir vierzig Kutschen, damit wir darin unser Aussteuer schicken können."
Und Peterchen sieht, wie der Padischah in jede Kutsche eine wunderschöne Jungfrau mit seinen eigenen Händen hineinsetzt. Die Wagen reiten los. Dann geht alles so schnell. Peterchen windet sich im Schlaf. Er sieht Blut, hört Schreie. Köpfe rollen. Er sieht Hände die sich wehren, Schwerter die schwingen und überall Blut und Geschrei.
Dann rollen vierzig Wägen beim Saray ein. Der Padischah befiehlt: "Entlädt die Kutschen. Sie haben ihre Aussteuer vorgeschickt." Doch voller Panik kommt ein Bote, ganz bleich im Gesicht. Er bittet den Padischah sich das anzusehen. Verwundert geht er mit dem Mann. Dieser öffnet ihm die Tür zu einer Kutsche und der Herrscher schaut hinein. Voller entsetzen hebt er seine Hände zu seinem Mund. Dann schaut er sich jede Kutsche an. Und tatsächlich. In jeder Kutsche liegt ein Mädchen, blutbeschmiert und ohne Kopf.
"Das bedeutet Krieg!" schreit der König und schickst seine Soldaten los.
"Nein, kein Krieg!" schreit Peterchen im Schlaf. "Kein Krieg! die vielen Soldaten, so viele Tote. Papa, Papa, geh nicht, geh nicht hin. Ahmet, du musst was dagegen tun, tue was dagegen. Niemand soll sterben. Papaa! Lieber Ahmet, tue was dagegen." stöhnt Peterchen und hörte Ahmet reden:
"Also sie haben alle deine Soldaten getötet, die du geschickt hast?" fragt dieser seinen Vater.
"Ja, sie haben einen Riesen, der mir meine ganzen Soldaten umbringt. Wenn es so weitergeht habe ich keinen einzigen Soldaten mehr", sagte der Padischah. "Wenn einer mir nur den Riesen bringen könnte."
Ohne zu zögern antwortet Ahmet: "Oh, Vater! binnen drei Tagen finde ich diesen Riesen für dich."
Da antwortet der Padischah: "Mein Sohn, wenn du das schaffst, dann gebe ich dir, was dein Herz begehrt."
"Vater, ich fange den Riesen und bringe ihn zu dir. Stell danach mit ihm an was du willst", erwidert Ahmet.
Der Padischah willigt ein.
Peterchen sieht, wie Ahmet zu seinem Schloss geht und den Riesen mit zurück zum Saray nimmt. Als Ahmet mit dem Riesen bei seinem Vater ankommt, schreit dieser : "Oh du Grundgüter, bring ihn nicht!"
Doch Ahmet erwidert darauf nur: "Ich hab mein Versprechen gehalten, jetzt bist du dran. Ich sollte ihn fangen, und du ihn töten. Jetzt bist du dran!" und er lässt den Riesen auf den Padischah los. Der ergreift den Herrscher, hebt ihn hoch und knallt ihn auf den Boden.
"Jaaa!" schreit Peterchen, "...dass geschieht dir recht. Stirb du böser Padischah, stirb. Jetzt kannst du das Land regieren, du guter, armer Ahmet..." murmelt Peterchen mit einem Lächeln.
Doch plötzlich schreckte er auf. Er hatte einen Knall gehört. Es war ein Kameltreiber, von der Karawane. Sie beluden Tiere und hatten die Raststätte völlig auf geräumt. Der Morgen graute und sie wollten sich zeitig aufs Weg machen. Noch schlaftrunken und sauer, dass sie so in Herrgottsfrühe loss ziehen, versuchte Peterchen sich die Augen zu reiben, doch so mit Katzenpfoten war das schwierig, und er leckte sich das Fell und ging mit der nassen Pfote über seine Stirn.
"Ich würde ja gerne mit euch kommen,..." hörte er Ahmet sagen. "Aber in meinem Zustand wäre ich euch eine grosse Last..."
"Ach, keineswegs", sagte der Scheich und Peterchen wunderte sich. Das alles sollte doch ganz anders laufen. Hatte er nicht grad geträumt, dass sie i h n zurücklassen.
"Du darfst nicht mitreiten." schrie Peterchen aufgeregt.
"Warum denn nicht?" fragte ihn der Scheich.
"Dann verpasst du den Eremiten, der dir die Augen wieder gesund macht." erwiderte Peterchen.
"Was für ein Eremit den, Kätzchen?" fragte Ahmet neugierig.
"Na, der der hier vorbei kommt?"
Der Scheich und Ahmet lachten amüsiert. Als sie Ahmet behutsam auf einen Kamel geholfen hatten, rief dieser von da oben: "Komm Kätzchen, wir ziehen los."
Doch Peterchen erwiderte: "Nein, ich bleibe hier und warte auf den Eremiten. Wenn er kommt, sage ich ihm wo du bist. Ich möchte dass du wieder sehen kannst."
"Aber Kätzchen, dass ist doch nicht möglich", sagte Ahmet mit einem Lächeln auf den Lippen und Peterchen wunderte sich, wie einer in seinem Zustand so fröhlich sein konnte.
"Lebewohl!" schrie Peterchen hinter ihnen her.
"Allah mit dir!" rief der Scheich.
"Allah mit dir und nochmals vielen, vielen Dank dafür, dass du mir das Leben gerettet hast", rief Ahmet und winkte, schaute dabei aber geradeaus und nicht in Richtung von Peterchen, zum Brunnen, worauf er sich nun hingesetzt hatte, um sie noch lange, lange sehen zu können, bis sie im Horizont verschwanden.
Als Peterchen sich umdrehte und in die andere Richtung sah, erspähte er einen Schatten, der langsam aber bedächtig auf ihm zukam.
"Da ist er, da ist er!" schrie Peterchen. "Ach, hätten sie doch nur zwei Stunden gewartet, dann hätten sie den Eremiten nicht verpasst."
Total aufgeregt sprang Peterchen am Brunnenrand und fuchtelte mit den Vorderpfoten, als er sein Gleichgewicht verlor und in den Brunnen stürzte.

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