"Erhebe dich!" wiederholte die tiefdröhnende Stimme, weil Peterchen immer noch nicht reagierte und Peterchen erhob sich aus seiner Verbeugung. Doch zu seiner Verwunderung stand vor ihm nicht der König, auch war neben ihm nicht der gestiefelte Kater.
"Wer bist du denn?" dröhnte die Stimme. Der Mann war so breitschultrig und stark wie ein Boxer, und noch dazu so lang wie ein Basketballspieler.
"Ich...?" fragte Peterchen unsicher. "Ich bin, ich bin...", stotterte er und wollte sagen, dass er Peterchen ist, der Sohn von Helga und Heinrich, und in die 4 f der Jahnweg Schule geht. Als er seinen Kopf neigte und in Gedanken auf den Boden guckte, sah er seinen Körper und stellte verwundert fest: "Oh Gott, seid wann hab ich denn ein Fell?" (Er dachte es nur, und rief es nicht laut aus). Und plötzlich geschah etwas Merkwürdiges. Ohne es zu wollen hörte er sich selber sagen:
"Ich bin der gestiefelte Kater." Seine Stimme klang seltsam fremd und die Wörter klangen auch ganz anders. Viel weicher und melodischer als sonst.
"Der gestiefelte Kater?" fragte der Hühne. "Das habe ich ja noch nie gehört. Und wo sind deine Stiefel?"
Peterchen schaute auf seine Füsse, und siehe da! Da waren gar keine Stiefel.
>Nun ja, vielleicht stecken sie ja im Sack<, dachte er und schaute im Sack nach, doch dort waren weder Stiefel, noch die Rebhühner, die er gefangen hatte. Da war nichts als ein versteinertes Kleeblatt. Merkwürdig, dachte Peterchen und da er nicht wusste was er antworten sollte, fragte er den Fremden, um von sich abzulenken:
"Und, wer sind SIE?"
"Ich bin ein Riese", antwortete dieser.
"Aber Riesen sind doch riesig. Gulliver war ja nur so gross wie ihre Hand. Doch du bist ja nur ein Kopf grösser als mein Papa..."
Der Riese schien gar nichts von alledem zu verstehen was Peterchen da redete. Er schüttelte nur seinen Kopf und machte sich auf sein Weg, wohin er auch gehen mochte.
"Hey, ward doch mal!" rief Peterchen und stampfte mit dem Fuss auf, glitt aus- und >platsch< lag er am Boden. Genau vor seiner Nase war ein grosser brauner Käfer. Er kannte diesen Käfer. Im Heimat- und Sachkundebuch hatte er so einen Käfer schon mal gesehen. Die gingen auf ihren Händen und rollten mit den Füssen kleine Mistkugeln. Ja, jetzt wusste er auch, was für ein Käfer es war.
"Das ist ja ein Mistkäfer!" schrie er erfreut. Er war stolz, das er ihn erkannt hatte und war froh eins so nah zu sehen. Genau vor seiner Nase war ein riesengrosser Käfer und schaute ihm in die Augen, da er noch auf dem Boden lag.
"Ich heisse nicht Mistkäfer!" rief der Käfer empört.
"Oh, wie heisst du dann?" fragte Peterchen, der immer noch eine Katze war und merkwürdigerweise nur doppelt so gross, wie der Miskäfer. (Nach der Stimme zu urteilen war es eine Mistkäferfrau, und Peterchen dachte sie würde jetzt sagen: "Ich bin Fräulein Mistkäfer" oder "Ich bin eine Mistkäferfrau.")
Mit hochgehobenem Kopf sagte sie:
"Kokonierte Kokonella, bornierte Bonbonella, wohin gehest du Korallen Perle, hättest du mich fragen müssen."
"Oh, entschuldiget, unser einer vermochte es nicht zu wissen", erwiderte Peterchen und wunderte sich, wie er sprach: "Kokonierte Kokonella, bornierte Bonbonella, wohin gehest du Korallen Perle?" fragte er.
"Ich suche mir ein Ehemännchen", sagte sie.
"Heirate mich!" sagte Peterchen, ohne es zu wollen.
"Dein Schwanz ist lang, du würdest mich schlagen", sagte die Mistkäferfrau und ging.
"Na dann, viel Glück auf deinem Weg und hab eine Gute Reise", sagte Peterchen ihr nach.
Die Verwunderung war ihm in sein Katzengesicht geschrieben, als er dem Mistkäfer hinterherschaute. "Was sage ich für ein dummes Zeug!" fragte sich Peterchen "...und wieso tue ich Dinge, die ich nicht tun will? Wo bin ich hier überhaupt." Peterchen kratzte sich am Kopf und schaute sich um. "Ich zwick mich mal, damit ich aufwache. AU! Ich bin immer noch da. Wenn das kein Traum ist, was ist es dann?" sagte er zu sich und versuchte aufzustehen. Doch er konnte nicht auf zwei Beinen gehen, wie der gestiefelte Kater. Er musste wohl oder übel, wie eine normale Katze auf allen Vieren laufen. Zuerst war er etwas unbeholfen. Doch dann hatte er es raus, welches Bein er vorsetzen musste, ohne dass sie sich ineinander verhackten. Und er lief und sprang über Stock und Stein, kroch auf der Wiese und tippelte, geschmeidig wie eine echte Katze über dem sandigen Boden und kam an ein Dorf. Vor einem Haus, sass ein schöne Maid und kämmte ihre Haare. Peterchen wunderte sich, dass sie keine schwarzen Hände davon bekam, denn ihr Haar war so schwarz wie Kohle. Ihre Augen so grün wie Oliven, Lippen so rot wie Kirschen. "Gott! Oliven, Kirschen, Kohle. Seid wann denke ich denn an so was?" wunderte sich Peterchen. "Vielleicht kann sie mir ja weiter helfen. Ich frag sie mal."
Doch er sagte wieder etwas, was er gar nicht sagen wollte:
"Wieso weinst du oh du schöne Jungfrau."
"Ich bin keine Jungfrau", sagte diese ganz traurig.
Peterchen ahnte Schlimmes. Aber er meinte Jungfrau auch nicht in dem Sinne, dass sie noch nie in den Armen eines Mannes lag, sondern er wollte ihr schmeicheln wie jung sie erschien und er fürchtete, dass sie sagt: "Ich bin eine Frau." (Und Peterchen kannte den Unterschied zwischen Frau und Fräulein.)
Und wieder sprach Peterchen: "Oh, was bist du dann?"
"Ich bin ein Mann", sagte sie im zuckersüssen Ton und eine Träne kullerte ihre zartrosige Wange runter. "Ja, ein Mann, gefangen in dem Körper einer Frau. Ich werde nie heiraten können", sagte sie und eine weitere Träne kullerte.
"Heirate mich!" sagte Peterchen unvermittelt.
"Du bist eine Katze, du würdest mich kratzen", sagte sie.
"Nein, ich bin ein Junge, gefangen im Körper einer Katze", klärte Peterchen sie auf.
"Ich kann doch keinen Jungen heiraten!" sagte sie, " ... und sie werden auch nie zulassen, dass ich ein Mädchen heirate?"
"Warum?" fragte Peterchen und schaute in die olivengrünen Augen der Frau.
"Na, weil sie nie erlauben werden, dass eine Frau ein Mädchen heiratet"
"Aber ich dachte du bist ein Mann."
"Das bin ich auch. Aber, die glauben nur das, was sie sehen. Und für die bin ich eine Frau?"
"Wenn ich zu ihnen gehe und ihnen sage: Ich bin ein Junge, vielleicht glauben sie dir, dass du ein Mann bist."
"Nein, das werden sie nicht", sagte sie und weinte. Tränen kullerten ihre Wangen runter.
Plötzlich hielt sie inne:
"Aber du könntest mir einen Gefallen tun", sagte sie und wischte sich die Tränen weg.
"Ja? was denn?" fragte Peterchen gespannt, und konnte sich nicht vorstellen was das für ein Gefallen sein konnte, wenn er mit seinem klugen Vorschlag, den Leuten zu sagen, dass er ein Junge war, nicht helfen konnte.
"Du könntest anstatt meiner, die Hand von Rose halten? Dir würden sie sie geben?"
"Ja, was soll ich denn mit einer Frau?" fragte Peterchen.
"Du bringst sie zu mir und gemeinsam verlassen wir das Dorf."
Peterchen gefiel der Gedanke ein Liebespaar zusammenzuführen und er hörte genau die Anweisungen von der schönen Jungfrau, was er zu tun hatte.
Mit einer Packung türkischer Honig im Maul, kratzte er an der Tür des Zukünftigen. Eine verschleierte Frau öffnete die Tür und liess ihn herein.
Nachdem Peterchen, einer Katze gebührend sich neben dem Ofen niedergelassen hatte, trank er etwas von dem bitteren Mokka, den die Zukünftige stillschweigend und beschämt servierte, danach sagte er feierlich: "Der Befehl Allahs und der Wunsch der Propheten ist es, dass ihre Tochter mir zum Weibe wird. Es ist so vorherbestimmt. Auch ihr könnt nichts daran ändern." Auf diese Worte hin, wandelte sich die Braut in eine Rose. Peterchen sprang mit einem Satz zu ihr, nahm sie in sein Maul und rannte flink aus dem Haus.
Als er bei dem jungfräulichen Mann ankam, legte er die Blume zu seinen Füssen. Er hob sie auf, und piekste sich dabei an dem Dorn und wandelte sich in eine Nachtigall.
Er zwitscherte zu Peterchen: "Bitte, lass sie nicht sterben. Du musst sie einpflanzen. Draussen vor den Türen des Dorfes ist das Gemeindefriedhof. Bitte pflanze sie dort ein. Unsere Liebe soll den Tot überdauern. So sind wir beide lebendig begraben. Tagsüber während sie blüht werde ich schlafen; und nachts, nachdem sie ihre Blätter zusammenrollt hat, werde ich ihre Schönheit besingen, bis über mein Tot hinaus, und sie wird davon nichts mitbekommen..."
Und Peterchen ging zu dem besagten Ort und pflanzte die Rose ein. Es fehlte noch etwas Wasser. So lief er zu einem Brunnen, der am Wegrand stand. Als er den Eimer runterwarf, fiel der mit einem Scheppern hinunter und die Kette rollte sich auf. Doch Peterchen hörte von unten kein >Platsch<. Sondern nur ein dumpfes >Rumpel<. Dann meinte er ein Stöhnen zu hören. "Hallo?" rief er in den Brunnen und seine Stimme klang hohl und blechern. "Ist da unten jemand ?" Er beugte sich tiefer rein, um nachzuschauen, aber er musste aufpassen, dass er nicht herunter fiel. Vielleicht hatte er sich ja verhört und es war nur das Knarzen, des alten Holzeimers da unten. Doch plötzlich hörte er wieder ein Laut. Es klang nicht menschlich. Aber auch nicht wie ein Tier. "Mmpfhgh! IIIghrmph!" hörte Peterchen. "Vielleicht versteht er mich nicht?" überlegte Peterchen.
"Vielleicht ist es ein Leguan aus dem Lummerland oder eine Leemure aus dem Taka Tuka Land? Die haben sicher eine eigene Sprache." Peterchen versuchte die Laute nachzusagen die er hörte. Dafür musste er seine Lippen fest zusammenpressen und ohne sie zu öffnen reden. "Mmmpfhgh! IIIIghrmmpht!", rief er nach unten und hörte den selben Laut wieder. "Echo, bist du das?", rief Peterchen in den Brunnen. Das Echo antwortete nicht. Da unten lag wohl doch jemand oder ein Etwas, dessen Sprache Peterchen nicht verstand. Beunruhigt sprang er vom Brunnen ab und lief auf den sandigen Hauptweg, weil gerade eine Karawane dabei war, den Brunnen zu passieren. Peterchen rief ihnen zu: "Hallo, ihr da hört ihr mich!"
Als eine kleine Katze, neben den grossen Kamelen, kam ihm sein Miauen ganz leise vor. So sprang er auf einen Kamel, bei dem er den Eindruck hatte, auf dem sitze eine Persönlichkeit, der was zu sagen hatte.
"Salamunaleykum, oh du Scheich!" hörte sich Peterchen wunderliche Sätze sagen, eigentlich wollte er nur sagen: Grüss Gott, der verehrte Herr! können sie mir helfen, da ist was im Brunnen. Statt dessen redete er wie folgt:
"Wären sie so gütig anzuhalten. Im Brunnen ist mein Herr. Seid Tagen liegt er da. Ich bitte sie gnädigst, holt ihn heraus, sonst stirbt er. Allah möge ihre Hände dafür segnen."
Der Scheich hielt an und folgte mit zwei Leibwächtern der Katze zu dem Brunnen. Dort zogen sie mit viel Mühe einen Mann aus dessen Tiefen. Seine beiden Daumen waren mit haardünnen Seilen zusammengebunden und er konnte sich nicht rühren. Ihm waren die Augen ausgestochen. Die Stellen, bildeten im Gesicht eine tiefe Furche; vereitert und mit Sand verklebt war das Blut darin eingetrocknet. Er schien sehr viel qualvolle Schmerzen ausgehalten zu haben.
Der Scheich fragte ihn mitfühlend: "Oh, du Allahs armes Menschenkind. Wer hat dich so zu gerichtet? Was ist das für ein Schicksal, das du erleiden musst..."
Und der Junge Mann erzählte bereitwillig seine Lebensgeschichte.
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