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Dienstag, 6. Oktober 2009

Entfallener Kapitel _ Ein Gepräch mit dem Spiegelbild-Bär

"Ach du liebe Güte! Jetzt bin ich ein Bär!"
Peterchen besah sich im Spiegel. Er sass an eine Pinie gelehnt und hielt zwischen seine Beinen einen Honigtopf geklemmt . Er nahm noch eine Tatze Honig, schleckte dran und guckte in den Spiegel: "Oh! ich verwandle mich gar nicht mehr. Bleib ich jetzt ein Bär?" fragte er sich und kam ins grübeln:
"Was für ein Bär bin ich überhaupt. Ein Griesslie? Ein Braunbär? Ob ich Paddington bin. Ach ne, ich hab gar kein Hut auf. Auch kein Dufflecoat. Schade. Die Jacke wäre cool gewesen. Vielleicht hab ich die Jacke verloren. Ach nee, ich bin nicht Paddington. Der war bei einer Familie. Wie hiess die nochmal? Braun oder Brown? Paddington Brown. Hmm. Paddington bin ich nicht. Ich sitzt ja draussen unter einem Baum. Mmmh. Lecker der Honig! Oh! Vielleicht bin ich ja Winnie. Winnie Pooh der Bär." Er schaute sich um, ob er irgendwas erkennen würde. "Vielleicht ist das der 1000 Acre Wald, und Tigger kommt gleich um die Ecke geschossen und bespringt mich." Mit weit aufgerissenen Augen, schaute er hinter den Baum. Doch da war weder Tigger, noch Piglet. Niemand kam. Niemand jammerte ihn an. Och, wie langweilig!" dachte Peterchen. "Wieso passiert denn jetzt nichts?"
Er liess, sein Blick über die Weide wandern und bemerkte einen dunklen Fleck, der immer grösser und grösser wurde und genau auf ihn zukam. Peterchen sah ein letztes Mal in den Spiegel und wischte sich den Honig von seinem Fell. Er schleckte eifrig seine Tatze sauber. Er wollte auf den glatzköpfigen Jungen einen guten Eindruck machen. Denn, er wusste, der erste Eindruck war das wichtigste, und man konnte ihn auch schwerlichst ändern.

Als der glatzköpfieg Junge bei ihm war, betrachteten die Beiden sich eine ganze Weile stumm . Schliesslich fragte der Glatztkopf, zu Peterchen, der ihn durch neugierige Bärenaugen beäugte:
"Wer bist denn du?"
Das klang nicht sehr ermutigend, und Peterchen sagte etwas zögernd: "Bitte- ich- im Augenblick weiss ich es wirklich nicht. Ich weiss genau, wer ich gestern abend beim Insbettgehen war, aber inzwichen bin ich dauernd etwas anderes geworden."
"Was soll das heissen?" wollte der Glatztkopf wissen. "Erkläre mir das!"
"Aber ich kann es Dir nicht erklären!" rief Peterchen. "Wirklich - weil ich nicht ich selber bin, verstehen Sie?"
"Nein", sagte der Glatzkopf.
" Es tut mir schrecklich leid", Peterchen versuchte sehr höflich zu sein, "aber ich kann es nicht besser erklären, weil ich es selber nicht verstehe. Man kommt ganz durcheinander, wenn man immer wieder etwas anderes ist."
"Keine Spur", sagte der Glatzkopf.
"Ihnen ist das vielleicht noch nicht passiert", sagte Peterchen.
"Aber wenn Sie eines Tages von hier gehen - das bleibt nicht aus, wissen Sie - und sich in einen Engel verwandeln, dann kommt Ihnen das sicher auch ein bisschen merkwürdig vor, oder?"
"Nicht die Bohne", sagte der Glatzkopf.
"Gut", sagte Peterchen. "Ihnen kommt es vielleicht nicht so vor, aber ich finde es merkwürdig!"
"Ja, du!" sagte der Glatzkopf neugierig. "Und wer bist du?"
Damit waren sie wieder genau am Anfang ihrer Unterhaltung. Verärgert über die einsilbigen Antworten des Glatzkopfes, machte sich Peterchen so gross es ging, denn im Sitzen reichte er ihm nur bis zur Knie und sagte etwas frostig: "Wenigstens könnten Sie mir sagen, wer Sie sind!"
"Was denkst du?"
Was sollte Peterchen darauf antworten. Keine Ahnung wer er war. Was er sah, war ein glatzköpfiger Junge. So sagte Peterchen:
"Ein Glatzkopf? Du bist der Keloglan." Irgendwoher fiel ihm der Name ein, und er brachte es in Verbindung mit einem Glatzkopf.
"Falsch!" erwiderte der Glatzkopf forsch.
Weil Peterchen nicht wusste was er noch Passenderes darauf erwidern solle, schwieg er einfach: "So ein Trottel. Ist ein Glatzkopf und sagt, das er keiner ist. Was ist er dann? Ein Giraffe?"
"Was ist los?" fragte der Glatzkopf. "Wieso schmollst du jetzt."
"Wenn du so blöd daher kommst." erwiderte Peterchen gekränkt.
"Ich bin nicht blöd."
"Das hab ich auch nicht gesagt."
"Natürlich hast du das gesagt."
"Ach, lass mich in Ruhe!" schnauzte Peterchen den Glatzkopf an.
"Darf ich dir noch was sagen." fragte der Glatzkopf höflich.
Da er plötzlich so nett war und es so vielversprechend klang , nickte Peterchen und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
"Nur das, was man sagt ist richtig, nicht was man denkt.", sagte der Glatzkopf.
"Versteh ich nicht", sagte Peterchen und sein Lächeln verschwand.
"Kommt dir das nicht bekannt vor?" fragte der Glatzkopf.
"I wo, woher denn?"
"Aus einem Fall?"
"Was für ein Fall? Ein Gerichtsfall? Ein mathematischer oder ein grammatikalischer Fall?"
"Ein echter!"
"Ein echter Fall? Versteh ich nicht."
"Sag nichts voreilig. Denke und wisse und spreche mit bedacht. Denn, nur das, was man sagt ist richtig, nicht was man denkt. Denn sonst wird man ausgelacht. -- Kommt dir das bekannt vor?"
"Versteh ich nicht." sagte Peterchen stur.
Bereitwillig erkärte der Glatzkopf: "Nicht das was du denkst ist entscheidend, sondern was du sagst. Denn das hat Folgen für deine unmittelbar Umwelt.
Das selbe gilt für: nicht das was du siehst ist das Wesen des Kerns, nur was im Inneren ist, ist der Kern des Wesen."
"Sage jetzt bloss nicht: Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
"Du hast es erfasst." sagte der Glatzkopf.
"Quatsch mit Sosse." schrie Peterchen und schluckte, so gut es ging seine Entrüstung herunter:
"Ist das alles?" meite er trotzig.
"Nein", sagte der Glatzkopf.
Und weil Peterchen befürchtete, vom Regen in die Traufe zu geraten, entschied er hier zu bleiben und abzuwarten. Vielleicht sagte er tatsächlich etwas Wichtiges. "Vielleicht hielft er mir weiter, zu erfahren, wer ich bin" dachte Peterchen, doch der Glatzkopf rückte nicht gleich mit der Sprache raus und blieb eine zeitlang stumm da stehen. Dann kniete er vor Peterchen nieder, legte seine Hände auf seine bärigbehaarten Knie, schaute ihm tief in die Knopfaugen und sagte eindringlich:
"Du meinst also, du bist anders - wie?"
"Aber, hallo!" schrie Peterchen herzig, endlich etwas Sinnvolles von dem Glatzkopf zu hören, und er erzählte bereitwillig: "Ich kann mich nicht mehr erinnern, wer ich bin. Ich hab nur das sonderbare Gefühl, dass ich hier falsch bin, und das alles was geschieht, eigentlich nicht so ablaufen sollte. Ich versuche mich zu erinnern, doch alles scheint mir falsch zu sein..."
der Glatzkopf schnitt ihm das Wort ab: "Du weisst aber nicht mit Gewissheit, dass es Falsch ist, sondern hast nur das Gefühl, dass er Falsch ist."

"Ich weiss nicht, ob man dass so sagen kann." sagte Peterchen.
"Wie würdest du es denn sagen?"
"Vielleicht gar nicht. Denn immer wenn ich etwas sage, kommt es falsch heraus."
"Sag mir doch etwas, was du denkst, dass es falsch ist."
Peterchen zögerte, dann erwiderte er: "Zum Beispiel habe ich versucht, >Meister Jakob< aufzusagen, aber es ist ganz falsch herausgekommen" sagte Peterchen und fügte hinzu "denke ich zumindestens. Ich meine, ich denke es richtig, sag es aber falsch. Aus welchem Grund auch immer."
"Also, dann sage einmal >Meister Jakob< auf!" sagte der Glatzkopf.
Peterchen fing an, mit einer Sing-sang-stimme das Gedicht schunkelnd aufzusagen:


Meister Jakob, Meister Jakob,
schlägst du noch, schlägst du noch?
Hörst du nicht das Bitten, hörst Du nicht das Bitten,
peitsch mich doch, peitsch mich doch!

Meister Jakob, Meister Jakob,
fesselst Du, fesselst du?
Hörst du nicht das Winseln, hörst Du nicht das Winseln,
schling mich um, bring mich um!


"Falsch", sagte der Glatzkopf.
"Nur ein bisschen", wandte Peterchen unsicher ein. "Ein paar Wörter sind irgendwie anders."
"Es klingt richtig, und sieht auch richtig aus, aber es ist im seinem Wesen verändert. Genau der Gegensatz von dir?"
"Was meinen sie damit?"
"Du sagst, was du sagt ist immer anders, und dein Äusseres verändert sich andauernd, aber in deinem Wesen bist und bleibst du derselbe?"
"Versteh ich nicht?"
"Dein Problem ist. Du musst dich erkennen. Versuche nicht das zu sein, wie du aussiehst, sondern versuche so auszusehen, wie du bist."
"Versteh ich nicht!" erwiderte Peterchen.
"Du musst dich erinnern. Dann verstehst du."
"An was?"
"An die Jungfrau, die ein Mann war."
"Wie geht das? Entweder, ist es eine Jungfrau oder ein Mann."
"Es war ein Mann, der in einem Frauenkörper, wie in einem Käfig eingesperrt war."
"Hmm?"
"Genauso, wie der Junge im Körper eines Katers."
"Also es war ein Kater, der sich wie ein Junge fühlte?"
"Nein. Es war ein Jungen Herz, der im Käfig eines Katers steckte."
"Allmählich verstehe ich es."
"Es kommt auf das Herz an, was man fühlt?"
"Du meinst: du siehst nur mit dem Herzen gut...? --- Das kommt mir bekannt vor."
"Ja, deine Erinnerung kommt allmählich. Jetzt bist du auch soweit, es zu hören."
"Was, zu hören?"
"Dass ich, Du bin?"
"Wieso, das geht doch nun überhaupt nicht. Ich bin ich, Du bist du."
"Und, wenn ich sage, dass du ein Glatzkopf bist?"
"Dann sind wir beide glatzköpfige Buben. - Zwei: glatzköpfige Buben. Aber nicht ein und derselbe Glatzkopf. -- Denn ich bin hier, und du bist dort."
"Und trotzdem sind wir ein und derselbe. Denk mal genau darüber nach. Ich sage nichts mehr."
"Aber, das musst du mir erklären. Sag doch was. Ich sehe genau, wie du deine Lippen bewegst. Sprich lauter ich höre nichts. Sag was." Peterchen schwieg und der Glatzkopf bewegte auch nicht mehr die Lippen. Nach einem qualvollen Schweigen, schnappte Peterchen nach Luft, um was zu sagen, und in dem selben Augenblick, öffnete der Glatzkopf auch den Mund. Langsam näherte sich Peterchen dem Glatzkopf, und er näherte sich auch ihm. Aha, jetzt gibt er nach, und sagt mir die Antwort, dachte Peterchen und stiess mit seiner Nase an seine. Es war kalt und rutschig. Er wollte eine Hand heben um nach ihm zu greifen, da bemerkte er erst, dass sein Körper, total nackt war. Er hatte gar keine einzige Haare mehr an den Beinen, auch nicht an den Armen. Er hatte kein Fell mehr. Vielleicht bin ich ja wieder ein Junge. Ein Ganz normaler Junge, dachte Peterchen. Als er von seinem Körper aufschaute, da war der Glatzkopf weg.
"Hallo, Glatzkopf! Glatzköpfiger Jungeeee!" rief Perchen und liess seinen Augen über die Weide wandern, in der Hoffnung, irgendwo seinen Schatten zu sehen. Als er nichts fand, schaute er geknickt auf den Boden und da sah er ihn. Er war in der Erde drin und starrte ihn von da unten, ganz verwundert an.
"Ach da bist du ja, wie bist du denn in die Erde gekommen" fragte Peterchen und sah, dass der Glatzkopf dasselbe sagte, nur hörte er ihn nicht. Er blickte zur Seite, der Glatzkopf auch, er näherte sich ihm, der Glatzkopf kam auch näher. Peterchen stand auf, um zu sehen, was der Glatzkopf macht. dann sah er ihn nicht mehr. Dafür lag an der Stelle, wo der glatzköpfige Bub seinen Kopf rausstreckte ein Spiegel. "Herr jeh! Ich hab die ganze Zeit in den Spiegel geguckt?" sagte er und erinnerte sich an dessen Worte: ">Ich bin du<, hat der Glatzkopf gesagt. >Wir beide sind einunderselbe<, hat er gesagt. Das war mein Spiegelbild. Genau! Ich und mein Spiegelbild sind ein und derselbe. Habe ich mich mit meinem Spiegelbild unterhalten? Aber das geht doch nicht. Er hat doch was ganz anderes gesagt, als ich. Oh man Peterchen, was geschieht hier?" er stutze. "Ich hab Peterchen gesagt. Das ist mein Name. Hey, ich erinnere mich wieder. Ja, ich erinnerme mich, und das ist der Spiegel vom den Schlangensohn. Und kaum hatte ich da reingeguckt, da vergass ich wer ich bin und dann tauchte er auf, der glatzköpfige Junge... und dabei schaute ich nur in deeHeeh--- " Er konnte nicht weiterreden.
"HEEEEY! WAS SOLL DAAS!" schrie er.
Zwei Männer hatten Peterchen gepackt und zerrten ihn weg.

Donnerstag, 1. Oktober 2009